Ein ganzer Tag im Sinne unserer Namensgeberin: Irena-Sendler-Tag am 23. Mai 2018

Die Irena-Sendler-Schule feierte ihren Irena-Sendler-Tag in diesem Jahr am 23. Mai, um zeitnah an den zehnjährigen Todestag der Namensgeberin, die aufgrund ihrer Rettung unzähliger jüdischer Kinder aus dem Warschauer Ghetto in Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ geführt wird, zu erinnern. Das Thema des diesjährigen Projekttages lautete:

Irena Sendlers Vermächtnis – Erinnern der Geschichte, Schlüsse ziehen für die Gegenwart, Verantwortung übernehmen für die Zukunft.

Für die Jahrgänge 5 bis 8 gab es einen Vortrag des Autors und Lehrers Philip Oprong Spenner , der unter dem Titel “Move on up. Ich kam aus dem Elend und lernte zu leben – Bericht einer Rettung“ über seinen Weg vom kenianischen Straßenkind zum Lehrer in Deutschland und der Hilfe, die er auf diesem erhalten hat, erzählte.

Die höheren Jahrgänge befassten sich in Zeitzeugenveranstaltungen und Workshops mit dem Thema: „Wie lassen sich die Zeit des Nationalsozialismus und ihre Folgen erinnern – wie lassen sich Lehren im Sinne Irena Sendlers ziehen? Zeugenschaft gestern, heute und morgen“.

Neben Zeitzeugen der Zeit des Zweiten Weltkrieges (etwa der ehemaligen schleswig-holsteinischen Landesvorsitzenden der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten“, Frau Marianne Wilke) und Kindern von Tätern und Verfolgten der NS-Herrschaft kamen Fachleute zu Wort, die sich mit der Frage befassten, wie in der Zukunft mit der Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus umgegangen werden kann.

In welcher Verantwortung wir heute stehen, wurde mit dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Pinneberg diskutiert. Auch Schülerinnen und Schüler boten Veranstaltungen an, um ihre Erfahrungen mit dem Thema (zum Beispiel „Sound in the silence“-Projekt) vorzustellen.

Abschluss des Tages war eine große symbolische Aktion der gesamten Schulgemeinschaft, bei der ein Zeichen gegen Rassismus und Unrecht im Sinne Irena Sendlers gesetzt wurde.

Im Folgenden lesen Sie Berichte von Schülerinnen und Schülern – Eindrücke von einem besonderen Tag:

Bericht über die Zeitzeugenveranstaltung von Claus Günther unter dem Titel:

Was tat mein Vater der Synagoge an und warum beschimpfte ich den jüdischen Nachbarn? Erinnerungen an meine Jugend in der NS-Zeit

Am heutigen Irena-Sendler-Tag beschäftigten wir uns in Gesprächsveranstaltungen mit verschiedenen Zeitzeugen. Ich war in der Gruppe von Claus Günther, der 1931 in Hamburg-Harburg geboren worden ist.

Herr Günther hat einige Textstellen aus seinem Buch „Heile, Heile Hitler“ vorgelesen. Sein Buch handelt von der eigenen Kindheit während der NS-Zeit. Herr Günther erlebte in seiner Kindheit den Antisemitismus und die Folgen der Nazi-Zeit. Sein Vater, Mitglied der SA, war als Fahnenträgre seiner Einheit dabei, als Menschen, die die Juden hassten, die Leichenhalle des jüdischen Friedhofs in Brand setzten und Geschäfte von jüdischen Besitzern zerstörten. Das war in der Pogromnacht am Abend des 9. November 1938.

Als ehemaliges Mitglied der Hitler-Jugend erzählte Claus Günther von Ereignissen, die dort passiert sind. Ein anderer Junge, der ebenfalls in der HJ gewesen ist, fehlte des Öfteren unentschuldigt. Als Strafe wurde er von den anderen Jungen verprügelt, da die HJ für jeden verpflichtend war.

Durch die Umwelt, die die Juden gehasst hat, ist Claus Günther mit seinen damals jungen 10 Jahren vom Judenhass beeinflusst worden, wie er berichtete. So hat er als Junge einen jüdischen Nachbarn beschimpft. Heutzutage schämt er sich dafür und für das, was er tat und sagte. Davon hat uns in der Veranstaltung berichtet.

Pia Endemann, 11a

Bericht über die Veranstaltung mit Bernhard Esser und Ulrich Gantz, moderiert von Ulrich Meyer, unter der Überschrift:

Die NS-Herrschaft von zwei Seiten. Ein Gespräch mit dem Sohn eines politisch Verfolgten und dem Sohn eines NS-Täters

Leider werde ich das Gespräch nicht mehr komplett wiedergeben können, da es so eine Flut von Informationen war. Ich kann im Nachhinein nur meinen Gesamteindruck und allgemeine Hinweise wiedergeben.

Bernhard Esser, der Sohn eines in der NS-Zeit Verfolgten, und Ulrich Gantz, Sohn eines NS-Täters, saßen dort im Raum mit ungefähr 35 Schülern und Lehrern. Die beiden kannten sich bereits durch gemeinsame Workshops im ehemaligen KZ Neuengamme. Obwohl es zwei ganz verschiedene Geschichten waren, hatte man das Gefühl, dass die beiden ein perfektes Zusammenspiel vollbrachten. Es gab aber auch Momente, in denen man das Gefühl hatte, dass die eine oder andere Information des einen den anderen erneut oder zum ersten Mal überrascht hat. Beide haben abschnittsweise und abwechselnd ihre Geschichte erzählt. Trotzdem hat der Zuhörer dadurch nicht den Faden verloren, im Gegenteil, man hatte kurz Zeit, die Informationen ‚zu verdauen’. Beide hatten Unterlagen, Bilder oder Bücher mitgebracht, um all ihre Informationen zu belegen. Dabei waren auch private Schriftstücke. Diese sorgten dafür, dass man sehr persönlich berührt wurde.

Wichtig festzuhalten ist mir, wie intensiv dieses Gespräch war. Eine so große Gruppe an Schülern – und alle waren stumm, schockiert, hatten Mitgefühl oder waren einfach nur gefangen in den Geschichten der beiden Vortragenden. Ich habe noch nie so leise eineinhalb Stunden verbracht. Es gab sogar Schüler, denen die Tränen kamen, und allgemein saßen die meisten mit offenem Mund dort. In den Jahrgängen 9 und 10 hatten wir das Thema Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit, jedoch habe ich mich noch nie zuvor so nahe an dem Thema gefühlt wie in dieser Veranstaltung jetzt. Das Bewusstsein, dass in diesem Gespräch Erste- oder Zweite-Hand-Informationen weitergegeben wurden und dass diese beiden Herren wirklich irgendwo ein Teil der Geschichte waren, war unfassbar spannend und berührend. Auch wenn sich sicher keiner von uns mit dem Thema Zweiter Weltkrieg in Verbindung bringen kann, ist es ein Teil unserer Vergangenheit. Aber diese beiden Menschen haben eine Verbindung zu dieser Zeit und haben uns diese nahe gebracht, wofür ich ihnen wirklich dankbar bin.

Diese eineinhalb Stunden haben mir persönlich diese Vergangenheit nähergebracht und verständlich gemacht, wie schlimm diese Zeit war. Ich kann nicht sagen, dass es total schön war, weil „schön“ ein falscher Begriff wäre. Ich kann nur sagen, dass das unglaublich war und dass jeder Schüler dort nahezu sprachlos war.

Danke für diese Erfahrung. Eine solche Veranstaltung kann ich zu 100% jedem empfehlen, es lohnt sich!!

Laura Lindner, 12a 

Bericht zum “Sound in the Silence”-Workshop

Heute, am 23.05.2018, versammelte sich die Schülerschaft der Irena-Sendler-Schule, um den 10. Todestag von Irena Sendler unter dem Motto „Irena Sendlers Vermächtnis – Erinnern der Geschichte, Schlüsse ziehen für die Gegenwart, Verantwortung übernehmen für die Zukunft“ zu feiern.

Nach einer Begrüßung durch Herrn Greite und die Leitung der Projektgruppe „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, einem Grußwort des Vertreters des polnischen Generalkonsulats sowie einer kurzen Vorstellung der geladenen Zeitzeugen und aller weiteren Gäste, die eine derartig umfangreiche Auswahl an Workshops ermöglicht haben, verließen alle Schüler die Aula und gingen zu der Arbeit in den gewählten Workshops über.

Ich besuchte den Workshop, in dem die Teilnehmer des „Sound in the silence“-Projektes aus dem vergangenen Jahr über ihre gesammelten Erfahrungen während ihres Aufenthaltes in dem Frauen-KZ Ravensbrück berichteten.

Zu Beginn der 90 Minuten Zeit, die wir hatten, sprachen wir mit den „Sound in the silence“-Teilnehmern Lena Haß, Mariana Müller, Ida Thomsen, Bahar Howeida, Christa Armah und Michel Paulsen darüber, wie Geschichte uns vermittelt wird und wie man über diese lernt.

Mit dieser Diskussion sollte das Ziel von „Sound in the silence“ verdeutlicht werden: eben nicht nur in Büchern und Arbeitsblättern zu lesen und den Informationsfluss aufzunehmen. „Sound in the silence“ eröffnet jungen Menschen die Möglichkeit, durch die Begegnung an historischen Orten und die Aneignung über künstlerische Methoden einen individuellen und empathischen Zugang zu geschichtlichen Ereignissen zu gewinnen.

Nach der Diskussion wurde ein Teil der Geschichte von Stella Nikiforova vorgetragen. Die am 29. Juli 1939 in Antwerpen geborene Frau wurde 1943 im Alter von nur 4 Jahren zusammen mit ihrer Mutter nach Ravensbrück deportiert. Ihre bereits schwerkranke Mutter wurde dort verbrannt. Stella jedoch überlebte und wurde von anderen Häftlingsfrauen in deren Obhut genommen.1945 wurde sie befreit, ihren Vater traf sie jedoch erst rund 20 Jahre später in den 60er-Jahren wieder.

Wir bekamen die Aufgabe, ein Wort auf einen Zettel zu schreiben, welches unserer Meinung nach das Gehörte am besten beschrieb. Jede Person gab ihren Zettel ab. Mit diesen Wörtern wurde ein Bewegungsspiel gespielt, in dem wir durch den Raum gingen und das von der Spielleitung gesagte Wort mit unserem Körper darstellten.

Anschließend wurden wir in zwei Gruppen geteilt. Eine beschäftigte sich weiterhin mit der Darstellung von den Wörtern und Emotionen und die zweite Gruppe entwickelte aus der Geschichte eine kurze Szene, die sie einprobte.

Nach der Arbeitsphase stellen sich die beiden Gruppen ihre Ergebnisse vor und es folgte eine erneute Diskussionsphase. Die „Sound in the silence“-Teilnehmer berichteten ausführlicher über ihre gesammelten Erfahrungen und die ausgelösten Emotionen während des Projektes.

Sie erzählten, dass es anfangs nicht einfach war, sich über den Ort, an dem sie waren, und die Ereignisse, welche dort vorgefallen sind, bewusst zu werden. Erst zwei Stunden nach der Ankunft setzten die Emotionen und Gedankengänge erst richtig ein, bei vielen sind zu dem Zeitpunkt, an dem sie die Trauer überkam und sie realisierten, wo sie waren und was dort passiert war, auch Tränen geflossen.

Während des Projektes war außerdem eine Tanzlehrerin anwesend und an einem Abend haben die Schüler in der alten Garage, 10 Meter neben einem wiederaufgebauten Verbrennungsofen, in welcher sie gelebt haben, getanzt.

Es ist schon extrem, wenn du dort tanzt und dir bewusst wird, dass 10 Meter neben dir mal Menschen verbrannt wurden. Das gibt dir schon zu denken. So beschreiben die Schüler eines der vielen Erlebnisse ihrer kurzen Zeit des Projektes.

„Sound in the silence“ hat ihnen durch Workshops mit Tanz/Sound/Schauspiel und kreativem Schreiben geholfen, durch Annäherung mit Körper und Geist besser zu lernen. „Sound in the silence“ hat es geschafft, ihnen einen Teil der Geschichte auch ohne die unaufhaltbar dahinschwindenden Zeitzeugen authentisch zu vermitteln.

Und dies sollten wir uns auch für die Zukunft als Ziel setzen: Geschichte ohne Zeitzeugen authentisch vermitteln zu können.

Kevin Günther, 11c

Das Schweigen über Auschwitz    

Am 23. Mai. 2018 war an unserer Schule der Irena-Sendler-Tag. Das Hauptthema war Irena Sendlers Vermächtnis. An diesen Tag hörten wir Zeitzeugen, die über Erlebnisse ihrer Jugend sprachen. Im Haus A, Raum 2.16, erzählte Herr Seibert über das Schweigen von Auschwitz. Er bezog uns als Teilnehmer des Vortrages mit ein und erzählte nicht nur. Er war bei seinen Großeltern aufgewachsen, die beide in Auschwitz waren. Sie waren beide Juden und hatten nur überlebt, weil sie nützlich waren. Der Großvater konnte viele Sprachen sprechen und die Großmutter war eine Psychologin.

Er meinte, dass man sich vorstellen sollte, wie es ist bei seinen Großeltern aufzuwachsen und jede Nacht aufzuwachen, weil die Großmutter von den Erlebnissen geplagt im Schlaf schreit. Mit 7-8 Jahren wurde ihm erst richtig bewusst, dass sie schreckliche Dinge erlebt hatte. Seine Großmutter erzählte ihm nie, dass sie in Ausschwitz war, erst als er die tätowierte Nummer auf ihren Unterarm sah und sie fragte, ob sie im Konzentrationslager war, meinte sie einfach nur: ,,Ja’’.

Sie sprach erst kurz, bevor sie starb, darüber und das, was sie erzählte, waren Dinge, die man nie erfahren und hören wollte. Das Harmloseste, was sie ihm erzählte, war, dass einmal Ungarische Juden nach Auschwitz gebracht und den Mütter die Babys weggenommen wurden. Diese wurden auf einem Haufen verbrannt.

Über die Erlebnisse schwiegen die Menschen, sie schwiegen, weil sie solche schrecklichen Sachen nicht Verwandten und Freunden erzählen konnten und wollten. Sie hatten Dinge erlebt, die einen nachts wachhielten oder einem im Schlaf zum Schreien brachten. Viele Menschen, die dort arbeiteten oder in der Nähe wohnten, wollten die Dinge nicht mehr wissen und verleugnen das Geschehene bis heute.

Herr Seibert hat erzählt, dass er Menschen betreute, die bei Auschwitz-Prozessen ausgesagt hatten. Als er sie etwas zu der Zeit fragen wollte, fragten sie etwas anderes oder wechselten das Thema, um nicht zu antworten.  Er meint, damit so etwas nicht nochmal passiert, darf man nicht wegsehen. Man muss mutig sein und für sein Denken und Handeln geradestehen.

Zum Schluss fragte er uns, was wir tun können, damit Dinge, über die niemand gerne spricht, nicht in Vergessenheit geraten: Wir meinen, dass man die Erlebnisse und Informationen der Zeitzeugen anderen Menschen weitererzählen muss, denn nicht alle haben diese besondere Möglichkeit, so direkt mit Zeitzeugen zu sprechen.

Messina Starke, 9b

Bericht über den Workshop Woher nehmen wir den Mut zur Zivilcourage?

Von Irena Sendler zum Kirchenasyl heute

Am 23. Mai 2018 haben wir an unserer Schule den Irena-Sendler-Tag gefeiert, und es wurden viele verschiedene Workshops angeboten. Einer davon war der Workshop zu Zivilcourage und Kirchenasyl von Hannah Hanke, Jürgen Reißner und Jörg Ostermann-Ohno.

Wir fingen damit an, dass jeder von uns ein Wort zum Thema Irena Sendler und ihren Taten oder Zivilcourage aufgeschrieben hat. Im Anschluss haben wir über das Thema Zivilcourage gesprochen und Verpflichtungen formuliert, die den Umgang miteinander verbessern könnten.

Der Workshop hat das wichtige Thema Zivilcourage direkt vor Augen gerufen und es war interessant, viele verschiedene Meinungen zu hören, die allerdings doch alle etwas Ähnliches aussagten, nämlich dass Zivilcourage uns allen sehr wichtig ist und eine Menge Mut erfordert.

Wir haben dann das Thema mit der aktuellen Flüchtlingssituation in Verbindung gebracht und über Kirchenasyl gesprochen. Wir konnten Frau Hanke Fragen stellen und ich empfand es als sehr interessant, mehr über das Thema zu erfahren.

Alles in einem war es ein sehr interessanter Workshop, der das Thema Zivilcourage mit aktuellen Ereignissen verbunden und dabei uns Schüler mit eingebunden hat.

Semira Kühl (11a)

Schweigen nach Auschwitz: Warum endete es so und wer erlaubte es? 

Heute habe ich an dem Workshop „Schweigen nach Ausschwitz“ teilgenommen.

Unser Referent war Wolfang Seibert. Er ist 70 Jahre alt, gehört dem jüdischen Glauben an und ist der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Pinneberg. Außerdem ist er selbst politisch immer noch sehr aktiv und hilft, wo er kann. Er hilft auch bei einem Synagogenasyl für Flüchtlinge mit. Doch er merkt auch, dass er an seine Grenzen stößt, woran er vor 40 Jahren noch nie gedacht hätte. Damals hat er den Beruf des Journalisten gelernt.

Er selbst kannte Irena Sendler nicht, als er gefragt wurde, ob er am Irena- Sendler-Tag in die Schule kommen mag. Er hat sich erst einmal an den Computer gesetzt und hat sich informiert. Man kann schließlich nicht alle Leute kennen, deshalb möchte ich euch heute Wolfgang Seibert vorstellen, damit ihr jemand weiteren und seine Geschichte kennen lernt.

Als er klein war ist er auf ein Odenwaldgymnasium gegangen, eine katholische Schule, denn die evangelischen nahmen ihn nicht auf, da er nicht ihren Glauben hatte. Den katholischen Schulen war das relativ egal. Allerdings ist er auch zwei Mal von der Schule geflogen und als er zehn war, hat er sich das erste Mal gewehrt und hat zurück geschlagen. Es ist nichts passiert.

In seiner Kindheit und Jugend richtete sich nie etwas Antisemitistisches gegen ihn. Das Ganze hat erst vor drei bis vier Jahren angefangen. Und wir müssen dafür sorgen, dass es aufhört.

Er ist bei seinen Großeltern aufgewachsen, da sein Vater studierte und seine Mutter arbeitete. Seine Großeltern waren beide in Auschwitz, da sie beide den jüdischen Glauben hatten und dazu noch sehr politisch aktiv waren. Doch sie waren Überlebende. Sein Opa hat Auschwitz überlebt, da er acht Sprachen jeweils sehr gut sprechen konnte und seine Oma überlebte, weil sie Fachärztin für Psychologie war und so konnte man die beiden gut einsetzen. Sie blieben bei dem Todesmarsch in Auschwitz und wurden später befreit. Das Erstaunliche ist, dass sie sich ein Jahr später auf Umwegen wieder begegnet sind und erfahren haben, dass sie damals im gleichen Lager waren.

Herr Seibert war damals sieben oder acht Jahre alt, als er bei seinen Großeltern lebte und seine Oma jede Nacht schrie. Er verstand nicht, was sie schrie. Es musste russisch oder jiddisch gewesen sein, was er damals noch nicht konnte. Doch er hat sich nicht getraut zu fragen. An seinem achtzehnten Geburtstag hat er es dann erfahren. Seiner Oma war der Ärmel hochgerutscht und da hat er die tätowierte Nummer auf ihrem Arm gesehen. Er fragte sie, ob sie in Auschwitz gewesen sei. Sie antwortete nur mit ja, denn seine Oma wollte ihn schützen und er wollte nicht fragen, da er Angst hatte, die Dinge zu erfahren, die seine Oma erlebt hatte. Weitere Antworten bekam er erst, als sie im Sterben lag. Er hat bis heute keinem erzählt, was seine Oma ihm erzählt hat, denn er sagte selbst, dass er ein schweres Paket mit sich herum trägt. Er hat uns die harmloseste Sache, wie er meinte, dann doch erzählt. Mir selbst kamen die Tränen, als er es erzählte. Ich möchte nicht wissen, was für grausame Dinge sich dort damals noch abgespielt haben.

Seine Großeltern sind später nach Deutschland zurückgekehrt und er fragte seine Oma, warum sie in dieses Land zurückgekehrt sind, da die Deutschen ihnen dies doch alles angetan hätten. Daraufhin antwortete sie: „Sag nie wieder die Deutschen. Es gibt solche und solche“

Nachdem seine Großeltern gestorben waren, kam er zu seinen Eltern. Seine Mutter wurde ebenfalls in einem Lager für Kinder festgehalten. Sie hat auf Fragen geantwortet. Ein SS- Mann konnte sie retten. Er hat sie auf dem Rückzug mit nach Deutschland genommen und hat ihr einen deutschen Pass besorgt. Wenn jemand sie wegen ihres russischen Akzents fragen sollte, solle sie antworten sie wäre Deutsch-Russin. Herr Seibert meinte. gegen Auschwitz war dieses Kinderlager noch ein Erholungsheim.

Täter und Opfer:

In diesem Workshop, den wir belegt haben und den Herr Seibert geführt hat, ging es um das Schweigen nach Auschwitz. Genauso wie die Täter schwiegen und schweigen auch die Opfer. Doch sie haben verschiedene Gründe.

Die Täter schweigen, weil sie nicht wollen, dass alles herauskommt. Doch Auschwitz wurde damals sehr stark bewacht. Nicht nur von der Wehrmacht und der deutschen Polizei, sondern auch noch von anderen. Diese haben jedoch alles geleugnet, obwohl es klare Beweise gibt.

Die Opfer schweigen, weil sie versuchen, ihre grausamen Erfahrungen zu verdrängen, und traumatisiert sind. Nicht nur die Opfer selbst, sondern teilweise auch die Generation danach ist noch traumatisiert von den Geschehnissen. In den USA hat man mit den Therapien 1946 angefangen, doch teilweise wurden die Opfer erst vor 4 bis 5 Jahren therapiert.

Herr Seibert hat einmal mit dem Pastor aus Neuengamme, einer KZ- Gedenkstätte hier in Hamburg-Bergedorf, geredet und die Gärtner und Bauern von dort behaupten ebenfalls, sie hätten nichts gewusst. Hier spielt wieder die Verdrängung eine sehr große Rolle, denn sie wollen nichts gewusst haben. Die Opfer wurden von einem KZ ins andere getrieben. Sowas hätte man als Gärtner und Bauer mitbekommen.

Damals waren leider auch die, die die Lehrer ausgebildet haben, meist selbst Nazis und die Lehrer selbst hatten Angst, dass, wenn sie sich nicht an die Regeln halten, sie ihre Familie nicht mehr ernähren können.

Verdrängung spielt auch bei ihm selbst eine große Rolle. Er selbst war das letzte Mal mit einer Gruppe von Sinti und Roma in Auschwitz. Er musste weinen und konnte nicht mehr damit aufhören. Er wusste am nächsten Morgen nichts mehr von dem vorherigen Abend und stellte fest, dass er wieder mit dem Rauchen angefangen hatte. Er bat am Abend mit den Worten: „Ich brauche jetzt etwas zum Festhalten“ einen Sinto um eine Zigarette. Mit diesen Worten beendete er auch unseren Workshop, da es ihm nicht leichtgefallen war, mit uns über das Thema zu reden. Dennoch hat er es sehr gut gemacht und mir hat der Workshop wirklich sehr gut gefallen. Man schafft es nicht, mit dem Thema abzuschließen, denn manchmal verdrängt man es monatelang und dann ist irgendein Anlass, mit dem man daran erinnert wird, und es kommt alles wieder hoch. Herr Seibert muss dann Tabletten schlucken, damit es ihm wieder besser geht.

Als Sechzehnjähriger hat er Menschen durch seine Heimat Frankfurt geführt, die als Zeugen für Auschwitz ausgesagt haben. Er mochte einen der Herren sehr gerne und er meinte zu ihm. „Erzähl mir doch mal, wie das war“, sagte er und als Antwort kam eine Frage „ Gibt’s hier den Eisladen noch?“

Auch dieser Mann hat versucht die vergangenen Erlebnisse zu verdrängen und er wollte nicht darüber reden. Es war ihm genug, dass schon im Prozess zu müssen.

Die Täter schweigen also, weil sie nicht wollen, dass jemand herausfindet, was für grausame Dinge sie den Menschen dort angetan haben, und die Opfer schweigen, weil sie traumatisiert sind und es verdrängen wollen.

Was kann ich tun? :

Was kann ich dafür tun, dass so etwas nicht noch einmal passiert?

  1. Nicht nur reden, sondern wirklich etwas tun, damit so etwas Grausames wie damals nie wieder passiert. Denn einmal war einmal zu viel.
  2. Wir müssen gemeinsam gegen Rassismus kämpfen, Courage zeigen und auf keinen Fall wegsehen.
  3. Wir müssen die Geschehnisse weitererzählen, denn irgendwann wird es keine Zeitzeugen mehr geben.
  4. Man muss sich weiterhin mit der Vergangenheit beschäftigen.
  5. Man muss Handeln und Umdenken erzielen.
  6. Diskussionen und Gespräche führen.
  7. Darüber reden und nicht vergessen.
  8. Mit Zeitzeugen reden, solange es noch geht. Sie nicht bedrängen und vorsichtig fragen. Verständnis zeigen, wenn sie nicht darüber reden können oder wollen, und auf keinen Fall verurteilen!
  9. Man muss dort helfen, wo man kann.
  10. Man muss sich eine eigene Meinung bilden und alles (z.B. Parteiprogramme) hinterfragen.
  11. Liebe, Respekt und Rücksichtnahme gegenüber anderen Lebewesen zeigen. Diese Sachen sollte man verbreiten und jedem beibringen.
  12. Und immer weiter lernen, auch wenn ihr aus der Schule raus seid. Keine komischen Matheformeln, sondern lesen.
  13. Es ist wichtig Mut zu zeigen. Angst sollte dennoch eine Rolle spielen, damit du dich nicht in Gefahr bringst. Du musst zu dem, was du denkst, stehen und es laut und offen sagen.
  14. Wenn man eine Ungerechtigkeit sieht, egal was es ist, ob es nun ein Kind ist, das geschlagen wird, eine Putzfrau ist, die nur sechs Euro die Stunde bekommt, oder ein Ausländer aus der Schlange gedrängt wird, dann macht darauf aufmerksam.

Heute:

Nun möchte ich euch an ein paar Beispielen zeigen, dass etwas geändert werden muss und dass wir noch lange nicht an dem richtigen Punkt angekommen sind. All diese Geschichten hat Herr Seibert uns in dem Workshop erzählt.

  1. Herr Seibert ist morgens um 5 mit der Bahn gefahren und dort haben ein paar Männer einen Afrikaner geschubst, bepöbelt und beleidigt. Drei Männer standen dann auf, schmissen die Männer aus der Bahn und drohten ihnen mit Prügel.

Natürlich ist Reden erst einmal die beste Lösung, doch das geht leider nicht immer. Man muss Mut zeigen, doch auch Angst spielt hier die wichtige Rolle, denn du darfst dich selbst nicht in Gefahr bringen. Hole Hilfe.

  1. Herr Seibert hat außerdem einen Aufkleber über einem Nazi-Aufkleber gesehen. Auf dem Aufkleber, der über dem Nazi-Aufkleber klebte, stand: Hier drunter ist ein Nazi- Aufkleber, den ich nicht abbekomme.

Hier hat jemand eine gute Tat vollbracht. Das kannst du auch.

  1. Seine Tochter musste sich bei der Behörde anmelden und die Frau am Schalter hat sie nach ihrer Religion gefragt, die seine Tochter aber nicht beantworten wollte. Und übrigens auch nicht mehr muss. Doch die Frau drohte ihr, dass sie dafür bestraft werden würde und dass sie sie nicht anmelden würde. Erst als Herr Seibert mit seiner Tochter zum Bürgermeister ging, hat es etwas gebracht.

Es gibt viel zu viele Menschen, die noch so denken, und das müssen wir ändern. Wir müssen die Welt besser machen.

  1. Herr Seibert ging auf eine Anti-Nazi-Demo. Erst einmal wurde ihm gesagt, dass er da nicht hingehen könne, weil er schon 70 Jahre alt sei. Doch er entgegnete ganz einfach: Was hat das mit dem Alter zu tun und ging. Jedoch hatte er sich auf der Anti-Nazi-Demo nicht mehr unter Kontrolle und stritt sich verbal mit einem Nazi. Er beleidigte ihn als Nazi-Ratte und dieser zeigte ihn an. Der Staatsanwalt meinte dann, er solle 100 Euro bezahlen, damit das Verfahren eingestellt würde, doch Herr Seibert weigerte sich. Dann solle er sich bei dem Nazi entschuldigen und er lehnte es wieder ab. Er meinte, er könne sich höchstens bei der Ratte entschuldigen, denn sie lebt in einem natürlichen Lebensraum. Nach diesem Satz stellte der Staatsanwalt das Verfahren dann ein.
  1. Nun die fünfte und letzte Geschichte über einen Streit mit einem Polizisten. „Das dürfen sie nicht, das steht so in der Verfassung“, sagte Herr Seibert daraufhin zum Polizisten.

Der Polizist antwortete: „Ich entscheide, was Verfassung ist und was nicht“. So dürfen wir heute nicht mehr denken. So soll heute keiner mehr denken. Leider gibt es noch viel zu viele Menschen, die so denken. Herr Seibert sind Anti-Nazi- Demos wichtiger als die Schule – und ein Lehrer aus meinem Kurs stimmte ihm sogar zu. Dennoch hat er selbst gemerkt, wie wichtig Schule ist. Wegen eines Konflikts mit der Obrichkeit hat er auch eine Narbe von einem Polizeiknüppel am Hinterkopf.

Es gab damals die stillen Helden, die ganz viele Kleinigkeiten getan haben, doch am Ende wurde eine große Tat daraus. Du kannst jeden Tag eine kleine gute Tat vollbringen und am Ende wird jede kleine Tat zu einer guten großen zusammengezählt. Diesen Artikel hier zu schreiben und andere über das Thema zu informieren ist meine gute Tat für heute, was ist deine?

Literatur und Filme zum Thema

Ich möchte euch jetzt noch ein paar gute Literaturtipps über das Thema geben, da es wirklich hervorragende Berichte über das Thema gibt. Herr Seibert selbst hat einen dicken Band mit Geschichten aus Auschwitz.

„Stille Helden“ ist ebenfalls ein Buch über eine Organisation, die viele Kleinigkeiten getan hat und aus der eine große gute Tat entstand.

Primo Levi, denn er hat selbst mehrere Lager überlebt und berichtet davon. In seinem Buch                             „Ist das ein Mensch?“ hat er seine Erfahrungen im KZ Auschwitz festgehalten.

„Der Staat gegen Fritz Bauer“ ist ebenfalls ein guter Film, der auf wahrer Begebenheit basiert.

Außerdem kann ich noch „Schindlers Liste“ und „Der junge im gestreiften Pyjama empfehlen“.     Zwei unglaublich gute Werke. Es gibt sehr viel gute Literatur bzw. gute Filme zu dem Thema.

Die zentrale Frage des ganzen Themas ist eigentlich: Warum endete es so und wer erlaubte es? Denn ein Diktator kann nicht ohne Mitläufer überleben. Herr Seibert selbst stellte sich diese Frage und nun stelle dir dieselbe:

Wenn du nicht Jude wärst und zu dieser Zeit gelebt hättest, was hättest du getan?

Tessa Sommerfeld, 11 a 

Bericht über die Veranstaltung mit Günter Lucks unter der Überschrift:

„Der rote Hitlerjunge“. Wie ich als Kind nazifeindlicher Kommunisten doch zur Hitlerjugend wollte und die Folgen …

Am 23. Mai 2018, aus Anlass des zehnten Todestags der Namensgeberin unserer Schule, fand bei uns der Irena-Sendler-Tag 2018 statt. Dabei bekamen wir Besuch von einem ganz besonderen Gast: Günter Lucks ist sein Name und er ist ein Zeitzeuge aus der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland. Geboren in Hamburg erzählt er in seinem Buch „Der rote Hitlerjunge“: Meine Kindheit zwischen Kommunismus und Hakenkreuz über sein Leben zwischen zwei Welten.

Sein Stiefvater ist Kommunist, der Vater gar im Rotfrontkämpferbund. Die neue Stiefmutter aber schwärmt für Hitler. Der eine Großvater ist Monarchist, der andere ein kommunistischer Schneider, der Onkel wiederum Sozialdemokrat. Ein Familienbild aus dem Hamburger Arbeiterbezirk Hammerbrook um 1930. Das kommunistische Milieu also. Doch Günter Lucks wollte zum Jungvolk und kam später auch in die Hitlerjugend.

Während seines Vortrages erzählt er vieles über das Leben in seiner Kindheit, was damals passiert ist und auch was ihm persönlich widerfahren ist. Die Zeit des Krieges war hart. Bei den Bombenangriffen der Engländer in Hamburg hat er seinen Bruder verloren. Nach dem Krieg wurde er, so wie viele anderen Deutsche, von den Sowjets in Kriegsgefangenschaft genommen und kam in die Sowjetunion. Die Zeit war nicht einfach und es mangelte an vielen Dingen. Selbst schwer verletzt durch Granatsplitter hielt er durch und lernte trotz seiner Herkunft in der Sowjetunion nette Menschen kennen und freundete sich mit manchen sogar an. In den 1950er Jahren kehrte er wieder nach Hamburg zurück, seine Heimatstadt.

Am Irena-Sendler Tag war er nun bei uns und erzählte Beeindruckendes und zeigte sogar Bilder aus der damaligen Zeit. Am Ende schenkte er unserer Schulbibliothek noch zwei Exemplare seines Buches, diese kann man dort ausleihen.

Christoph Becker, 12 a

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